Zwei auf einen Streich! Literarische Illustrationen von Josef Hegenbarth und Max Lingner
07. September — 17. Dezember 2016
Ort:
Hegenbarth Sammlung Berlin
Nürnberger Straße 49
10789 Berlin
Am Mittwoch, 7. September 2016, eröffnet die Hegenbarth Sammlung Berlin in Kooperation mit der Max-Lingner-Stiftung Berlin die Ausstellung „Zwei auf einen Streich! Literarische Illustrationen von Josef Hegenbarth und Max Lingner“. Bis zum 17. Dezember werden in einem dialogischen Wechselspiel etwa 40 Pinsel- und Federzeichnungen, Aquarelle und Lithografien wie auch illustrierte Bücher der beiden Künstler zu Werken der Weltliteratur gezeigt.
Josef Hegenbarth (1884 Böhmisch Kamnitz – 1962 Dresden) und Max Lingner (1888 Leipzig – 1959 Berlin) lernten sich 1908 während ihres Studiums bei Prof. Carl Bantzer an der Dresdener Akademie kennen. Hegenbarth blieb nur kurz in der Klasse, Lingner beendete sein Studium dort 1914. Auch danach standen beide Künstler weiterhin in Verbindung, wenngleich sich ihre Lebensläufe weit auseinander bewegten. Während Josef Hegenbarth, von wenigen Aufenthalten in seiner böhmischen Heimat abgesehen, die meiste Zeit seines Lebens in Dresden-Loschwitz verbrachte, zog Max Lingner nach Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg 1914–18 und Stationen in Born/ Darß und Weißenfels 1928 nach Paris. Dort arbeitete er als Zeichner, Illustrator und Gestalter v.a. für die von Henri Barbusse herausgegebene Wochenzeitung Monde und die kommunistischen Zeitungen l’Avant-Garde und l’Humanité. Nach Verhaftung und Internierung in französischen Lagern, Tätigkeit für die Résistance und Wiederaufnahme seiner künstlerischen Arbeit kehrte er 1949 nach Deutschland zurück, nun in die DDR. Dort wurde er Professor für Malerei an der Kunsthochschule Weißensee. Auch war er Mitbegründer der Akademie der Künste (Ost). 1952 bezog er sein Wohn- und Atelierhaus in der sog. „Intelligenzsiedlung“ Berlin-Niederschönhausen, das heute die ihm gewidmete Stiftung beherbergt. Am bekanntesten in Berlin dürfte sein Wandbild von 1953 am heutigen Finanzministerium sein. Sein kraftvolles Porträt von „Mademoiselle Yvonne“, das 1939 in Paris entstand, ist bis zum 31. Juli in der Ausstellung „Die schwarzen Jahre“ im Hamburger Bahnhof zu sehen.
Josef Hegenbarth, der „Flaneur von Dresden“, wählte ein anderes inspirierendes Umfeld für seine Arbeit: er suchte und fand seine Motive vor der Haustür. Auf seinen täglichen ausgedehnten Spaziergängen hielt er Szenen des Alltags fest, auf der Straße, im Park, in der Trambahn, im Kaffeehaus wie in der Wärmestube. Er vergnügte sich mit seinen Zeitgenossen im Kabarett und Theater, in Zirkus und Zoo, wobei er Mensch wie Tier gleichermaßen Aufmerksamkeit und Sympathie entgegenbrachte. Der zweite Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf Illustrationen für große Verlage und populäre Magazine wie Jugend oder Simplicissimus, für den er von 1925 bis zum Ende des Magazins 1944 viele Auftragszeichnungen ausführte, später dann für die Satirezeitschrift Ulenspiegel. Er schuf umfangreiche Folgen an Tuschzeichnungen, Aquarellen und Radierungen, mit denen Märchen und Werke der Weltliteratur bebildert wurden. Manche erschienen in zahlreichen Neuauflagen noch lange nach seinem Tod. Zwar reiste er wenig und lebte sehr zurückgezogen, doch pflegte er einen intensiven Austausch mit Kollegen, Kuratoren und Autoren, was seine internationalen Ausstellungen, seine beachtliche Kunstsammlung und umfangreichen Korrespondenzen anschaulich belegen. Auch er wurde Professor, an der Akademie in Dresden im Fach Illustration. In Berlin wird der Verbleib seiner Kreuzweg-Folge, die der (westdeutsche) Architekt Hans Schwippert 1961 noch direkt bei ihm in Auftrag gab, im Zuge der umstrittenen Umgestaltung der St. Hedwigs-Kathedrale (ehemals in Ost-Berlin gelegen) auch gerade neu diskutiert.
Hegenbarth wie Lingner waren Meister des raschen, flüssigen Striches, der geschwinden Zeichnung, der behänden Geste. Mit Neugier und Anteilnahme beobachteten sie unaufdringlich ihre Umwelt – heute findet man diese Haltung noch am ehesten in der „Street Photography“. Josef Hegenbarth und Max Lingner verbindet die Liebe zur Literatur und zum „einfachen“ Menschen in alltäglichen Situationen – bei der Arbeit stets mit Respekt und in der Freizeit oft mit Humor, immer jedoch auf Augenhöhe. Fremd blieben beiden Künstlern Häme, Pathos und Heroisierung in allen politischen Systemen, die sie durchlebten.
Parallel zum internationalen literaturfestival berlin eröffnet „Zwei auf einen Streich!“ einen Reigen an Illustrationen zu Romanen, Dramen, Sagen, Märchen und Balladen. Die Liste der Autoren umfasst Alexandre Dumas, Joseph von Eichendorff, Gustave Flaubert, die Brüder Grimm, Wilhelm Hauff, Victor Hugo, Karl May, Friedrich Schiller und Oscar Wilde.
Zur Ausstellung erscheint
ein bibliophiles Bändchen
mit dem Märchen „Der Teufel und seine Großmutter“ der Brüder Grimm, den Illustrationen von Josef Hegenbarth und einem Aufsatz zu Hegenbarths Illustrationskunst von Dr. Andreas Bode.
52 Seiten, 10,— Euro
ISBN 978-3-945970-03-4
Blick ins Buch
Information & Bestellung
Rahmenprogramm
Im Rahmenprogramm zur Ausstellung laden wir Kinder und Erwachsene
zu veschiedenen Veranstaltungen ein:
Sonntag, 11. September, 12—14 Uhr
Kindervernissage
Donnerstag, 15. September: 09—12 Uhr
Schüler-Workshop mit dem japanisch-amerikanischen Autor und Illustrator Allen Say (auf Anmeldung).
Kooperation mit dem internationalen literaturfestival berlin (ilb)
Freitag, 30. September, 18—24 Uhr
Lange Nacht der Illustration mit Kurzführungen durch die Ausstellung „Zwei auf einen Streich!“ und ab 21 Uhr mit einem Gespräch mit Christopher Breu, Typograf, Buchgestalter und Geschäftsführer der Hegenbarth Sammlung Berlin
Samstag, 05. November, 14 Uhr
Wochenende der Graphik
Febelhaft! Wir lesen Geschichten mit verteilten Rollen.
Samstag, 12. November, 14—16 Uhr
Berliner Märchentage
Idil Üner („Tatort Istanbul“ u.a.) liest liest türkische und andere Märchen.
Freitag, 18. November, 15—16 Uhr
Bundesweiter Vorlesetag
Luzia Braun (ZDF) liest aus Grimms Märchen
Mittwoch, 07. Dezember, 19—21 Uhr
Gesprächsabend über Josef Hegenbarth und Max Lingner mit den Kunsthistorikerinnen Katja Schöppe-Carstensen, Hegenbarth Sammlung Berlin, und Dr. Angelika Weißbach, Max-Lingner-Stiftung