Herr Hegenbarth zeigt

Caspar David Friedrich, Wurzelbereich einer Erle, um 1808, Bleistift auf Velin © Hegenbarth Sammlung Berlin

Caspar David Friedrich, Wurzelbereich einer Erle, um 1808, Bleistift auf Velin 
© Hegenbarth Sammlung Berlin

Caspar David Friedrich — Found in Translation

19. Oktober 2024 — 09. April 2025

Ort:

Hegenbarth Sammlung Berlin
Laubacher Straße 38
14197 Berlin

Found in Translation

Eröffnung: Samstag, den 19. Oktober 2024, 15 — 21 Uhr
Künstlergespräch mit Thomas Baumhekel am Samstag, den 19. Oktober 2024 um 19 Uhr

 

Aus Anlass des 250. Geburtstages von Caspar David Friedrich (1774—1840) zeigt die Hegenbarth Sammlung Berlin Papierarbeiten des Romantikers aus dem eigenen Bestand in Gegenüberstellung mit historischen und zeitgenössischen Darstellungen. Der Fokus der Ausstellung liegt auf dem zeitlichen und kulturellen Transfer des Motivs Landschaft. Die ausgewählten Arbeiten sind zwischen dem 15. Jahrhundert und dem Jahr 2024 entstanden. Der Kunsthistoriker und Kurator der Ausstellung Johannes Rößler wird im Rahmen der Ausstellung als Mitherausgeber die neu edierten Briefe und Schriften Caspar David Friedrichs in der Hegenbarth Sammlung Berlin vorstellen.

Der Ausstellungstitel ‚Caspar David Friedrich — Found in Translation‘ ist eine spielerische Anlehnung auf den 2003 entstandenen Film ‚Lost in Translation‘ (Regie: Sofia Coppola). In der Gegenüberstellung geht es um Transformation sowie Übersetzung im Bereich der Landschaftsdarstellung innerhalb der europäischen Kunstentwicklung und im Bezug auf ausgewählte japanische Kunstpositionen des 15. und 21. Jahrhunderts.

Zu den Papierarbeiten von Caspar David Friedrich

Der 250. Geburtstag des wichtigsten deutschen Romantikers Caspar David Friedrich ist Anlass für zahlreiche Werkschauen und Ausstellungen im nationalen wie internationalen Vergleich. Die Hegenbarth Sammlung Berlin präsentiert erstmals aus dem eigenen Bestand drei herausragende Papierarbeiten von Caspar David Friedrich (1774—1840) aus unterschiedlichen Werkphasen.

Die um 1800 entstandene kleinformatige Radierung ‚Weg zwischen Laubbäumen mit Staffage‘ markiert das Frühwerk Friedrichs unmittelbar nach Abschluss seiner künstlerischen Ausbildung in Kopenhagen und seiner Übersiedlung nach Dresden. Es zeigt eine dicht arrangierte Baumlandschaft mit stilisierten Blättern und atmosphärischem Himmel sowie einem Reiter und einem Wanderer. Die radierte Darstellung ist von hoher anekdotischer Dichte und entspricht ganz der noch typischen Landschaftsauffassung seiner Zeit.

Die Bleistiftzeichnung ‚Wurzelbereich einer Erle‘ von 1808 entstand nur wenige Jahre später und zeigt einen genau beobachteten Landschaftsausschnitt. Vermutlich hat der Künstler diesen an einem Bach gezeichnet. Die Wurzeln des Baumes, vermutlich die einer Buche, liegen frei, der Baumstamm ist stark verwittert und entgegen Friedrichs Zeichengewohnheit lässt sich dieser Wurzelbereich nur vage lokalisieren, da das Blatt nicht näher bezeichnet ist. Mittels Linien, Striche und unterschiedlich kräftiger Schraffuren dokumentierte Friedrich die Physiognomie des Baums auf dem Papier, das vermutlich als Albumblatt diente.

Das dritte, am 3. September 1835 entstandene Blatt zeigt eine ‚Wiese bei Teplitz‘ und ist dem Spätwerk zuzuordnen. Es gilt als gesichert, dass es sich bei dieser um eine der ersten Arbeiten nach Friedrichs Schlaganfall handelt. Trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind die Striche und Schraffuren sicher auf das kleine Blatt Papier gesetzt, das eine abschüssige Landschaft mit Wiese und Felsen im Vordergrund sowie eine dunstige Landschaftsebene im Hintergrund darstellt.

Caspar David Friedrich im kulturellen Transfer

Den Auftakt machen die beiden jüngsten Arbeiten des Dresdener Künstlers Thomas Baumhekel (geb. 1963), die er mit Verweis auf die beiden hier ausgestellten Hauptmotive von Friedrich anfertigte. Mit breitem Pinsel und schwarzer chinesischer Tusche schrieb er auf großformatige Blätter die kalligraphischen Zeichen für ‚Wald‘ und ‚Wurzel‘. Seit über vierzig Jahren beschäftigt sich Baumhekel mit Landschaftsthemen Friedrichs, transferiert diese jedoch nicht in abbildhafte, wiedererkennbare Landschaften, sondern schreibt sie als chinesische Zeichen auf Papier. Ihn interessiert dabei die formale Struktur der Zeichen, die das Geschriebene mitunter verbildlichen. Bemerkenswert daran ist, dass er weder das Chinesische noch das Japanische erlernt oder studiert hat, seine Zeichen für Schriftkundige dennoch lesbar sind. Seit der Entdeckung einer ausrangierten Japanischen Grammatik, die er aus dem Müllcontainer ehemaliger DDR-Betriebe rettete, beschäftigen Baumhekel die Kanji-Zeichen. Bereits 2018 widmete sich die Hegenbarth Sammlung Berlin in der Ausstellung ‚Überflogenes Weiß II – Deutsche Landschaft japanisch‘ umfangreich den Arbeiten von Thomas Baumhekel.

Die jüngst entstandene Collage ‚Hotel Goldene Harfe‘ (2024) zeigt das gleichnamige Hotel im Kurort Teplitz (Teplice, Tschechische Republik), wo Caspar David Friedrich sich im Sommer 1835 von seinem Schlaganfall erholte. Baumhekel hat die Schaufassade des historischen Kurhotels nachgezeichnet und in die Fenster Briefmarken geklebt, die das Konterfei von Friedrich und weiteren prominenten Teplitz-Besuchern wie Ludwig van Beethoven zeigen.

Ein weiteres zitiertes Friedrich-Motiv ist die Darstellung einer nächtlichen Mondlandschaft mit dem Titel ‚Wenn es Mitternacht wird‘ (2011). Der Künstler schrieb den Mond als kreisrundes Symbol in die obere Blattmitte und lässt somit gedanklich eine mondbeschienene, nächtliche Landschaft entstehen. Die Referenz zu Friedrichs berühmten Versionen ‚Zwei Männer in Betrachtung des Mondes‘ (1819/20, Albertinum SKD Dresden und 1830-35, Privatbesitz) und ‚Mann und Frau in Betrachtung des Mondes‘ (um 1824, Alte Nationalgalerie SMB Berlin) liegt nahe und wird stellvertretend durch die zeitgenössische Position von Hiroyuki Masuyamas (geb. 1968) ‚Nach Caspar David Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes 1819/20‘ (2019) repräsentiert. Der japanische Fotokünstler sucht die Orte von Friedrichs Gemälden auf und setzt diese aus mehreren hunderten digitalen Einzelfotografien neu zusammen, um sie dann in einem LED-Leuchtkasten zu inszenieren. Die Wirkung dieser künstlerischen Zeitreise ist faszinierend, denn Masuyama transferiert Friedrichs Motive nicht nur in unsere Gegenwart, sondern er arbeitet ähnlich wie der Dresdener Romantiker, der seine Gemälde ebenfalls aus mehreren Zeichnungsausschnitten montierte, nur eben mit modernen Mitteln.

Dass das Thema der Mondbetrachtung weder eine Erfindung Caspar David Friedrichs noch der europäischen Kunstgeschichte ist, verdeutlicht die japanische Hängerolle des Jasoku (vermutlich 15. Jahrhundert) ‚Chinesische Herren betrachten den Mond‘ (um 1500). Hier sitzen zwei Männer auf einem Felsplateau und blicken gemeinsam mit dem hinter ihnen stehenden Diener auf den Mond, der über einer fernen Bergkulisse aufgegangen ist. Die Darstellung von Mond betrachtenden chinesischen Ehrenmännern war ein beliebtes Sujet und in Japan sehr geschätzt.

Caspar David Friedrich im europäischen Vergleich

Diesen außereuropäischen Positionen stehen europäische Landschaftsdarstellungen gegenüber, die in Abständen ausgetauscht werden.

Mit Adrian Zingg (1734—1816), August Kopisch (1799—1853) und Heinrich Stuhlmann (1803—1883) sind drei Zeitgenossen Friedrichs vertreten. Stuhlmann, der sich um 1830 auch in Dresden aufhielt, repräsentiert mit den beiden kleinformatigen Erzgebirgslandschaften (um 1830) die ‚nordische‘ Landschaftsauffassung, während mit Kopischs ‚Blick auf Cefalù‘ (1827) die ‚südliche‘ vertreten ist. Auch wenn Landschaften nicht zu den Hauptthemen Josef Hegenbarths (1884—1962) zählten, schuf er eine Vielzahl in verschiedenen Techniken (Leimfarben und Tuschfederzeichnungen) und unterschiedlichen Kontexten (von landschaftlichen Illustrationen bis heimatliche Ausflugsziele der Umgebung). Und obwohl er die gegenstandsfreie Darstellung für sich ablehnte, sind seine Landschaften zwischen Abstraktion und Phantasie angesiedelt, so auch die beiden großformatigen Arbeiten Schlossberg bei Böhmisch-Kamnitz (1935 und 1943). Max Ernst (1891—1976) schuf 1954 eine farbgewaltige, surreale Decalcomanie, die ‚Antipoden der Landschaft‘ zeigt. Nur wenige Jahre später entstand Karl Otto Götz‘ (1914—2017) informelle Arbeit, die wie eine unbezwingbare Landschaft anmutet und vom Gestus her eine Brücke zu Thomas Baumhekels dynamisch gemalten Kalligrafien schlägt.

Öffnungszeiten

Mittwochs 12—17 Uhr und nach Vereinbarung
An gesetzlichen Feiertagen geschlossen.

Ausstellungsansichten, Foto: Thomas Baumhekel

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