Hegenbarth trifft Gegenwart
Waldinneres Reloaded
14. September 2021 — 26. Januar 2022
Ort:
Hegenbarth Sammlung Berlin
Kunst auf Papier
Laubacher Straße 38
14197 Berlin
Neue Zeichnungen von Malte Spohr
Bis Mitte Dezember zeigt die Hegenbarth Sammlung Berlin neue Zeichnungen von Malte Spohr, die nach einem Blatt von Josef Hegenbarth und eigenen Fotografien für die Präsentation im Schaudepot entstanden sind. Weitere Arbeiten auf Papier aus dem Sammlungsbestand von Willi Baumeister, Peter Brüning, Carl Buchheister, Karl Fred Dahmen, Max Ernst, Karl Otto Götz, Horst Janssen sowie Nicole Schuck ergänzen die Präsentation.
Mit der Pinselzeichnung ‚Waldinneres‘ von 1950 liegt eine der seltenen reinen Landschaftsmotive in Hegenbarths Schaffen vor. Dort breitet sich in der blattfüllenden Darstellung eine monumentale Felsformation im Vordergrund und eine dicht gewachsene Waldvegetation im Hintergrund aus. Die ambivalente Darstellung, in der sämtliche Partien aus wenigen Pinselspuren bestehen, eröffnet dem Betrachter den Raum für phantasievolle Bilddeutungen.
Malte Spohr transformiert daraus vier gleich große Bleistiftzeichnungen, die Strukturen assoziieren, wie sie sich möglicherweise im Unterirdisch-Verborgenen erstrecken. Mit diesen Erscheinungen des Unsichtbaren, des Bewegten, der verborgenen Kommunikationen zwischen Pilzmyzel und Baumwurzel zeigt Malte Spohr uns seine Empfindungen als ‚Waldinneres reloaded‘.
Die Blätter der Serie sind betitelt mit ,Waldinneres reloaded 01 bis 04‘. Sie lassen sich aufgrund ihrer technikbedingten Monochromie kaum voneinander unterscheiden. Malte Spohr scheint damit keinen Anspruch auf ein Gesamtbild des Waldes anzustreben. Vielmehr wirkt jedes Blatt wie der vergrößerte Ausschnitt eines Superorganismus.
Die Monografie Malte Spohr. Aufzeichnungen 1994—2018 (mpk — Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern) ist in der Ausstellung zum Preis von 19,80 € erhältlich.
Ergänzungen zu Spohr und Hegenbarth
Josef Hegenbarth ist mit drei zusätzlichen Illustrationen in der Ausstellung vertreten. Dabei fällt auf, dass er die Waldlandschaft stets als Bühnenraum inszeniert. Die vegetabilen Gestalten ordnet er einerseits der Dynamik der Erzählung unter, verselbständigt sie andererseits als Akteure eines geheimnisvollen Stimmungsraums, gleichauf mit der menschlichen Gestalt. In Hegenbarths Waldzeichnung von 1950 ist der Zuschauer selbst an deren Stelle ins Waldinnere vorgerückt wie in eine andere Welt. Funktioniert in ihr die Orientierung noch über bekannte Naturformen, sieht er sich in den Bildern Malte Spohrs mit unbekannten Zeichen einer ihm fremden Welt konfrontiert. Wer diese mit Muße studiert, wird erkennen ohne verstehen zu müssen.
Den Dialog von Spohr und Hegenbarth ergänzen weitere Waldstimmungen auf Papier aus dem Sammlungsbestand: zum Beispiel ‚Aufzug der Giganten‘ (1946), die man für Baumriesen halten könnte, von Willi Baumeister und die aus der Vogelperspektive betrachtete, quasi kartografische Waldlandschaft ‚Höhenlinien‘ (1966) von Peter Brüning; der ‚Superorganismus‘ (2017) von Nicole Schuck hingegen ähnelt einem mikroskopisches Gebilde, in welchem der Wald als Kosmos aufscheint. Mit Zeichnung, Radierung, Lithografie, Monotypie, Collage, Malerei und Grattage — desgleichen von Horst Janssen, Carl Buchheister, Karl Fred Dahmen, Max Ernst und Karl Otto Götz — führt die gezeigte Auswahl verschiedenste Gestaltungsweisen vor Augen, die Wesenhaftes im Waldinneren konkret behandeln oder abstrakt zu ergründen suchen.